öko – test
Spezial Wohnen und Leben
Sonderheft mit großem Interview mit den InteriorPark. Gründerinnnen, Seite 24 – 33
Der Persönlichkeit Ausdruck geben
Der eigene Wohnraum ist mehr als eine Ansammlung von Möbeln und Krimskrams. Im Idealfall ist er Rückzugsraum, Präsentationsfläche und Lebensvereinfacher in einem. Bei der Gestaltung sollte man sich gelegentlich auch selbst überraschen.
Eine Schrankwand in hellem Holzfurnier, eine beige Sitzgarnitur samt Couchtisch auf einem dunkelblau melierten Teppichboden. Dazu der 37-Zoll-Fernseher, ein Alpenveilchen und eine Orchidee auf dem Fensterbrett. Die Stehlampe vor der Raufasertapete mit mittlerer Körnung, ursprünglich weiß, jetzt nach einigen Jahren in Pastelltönen in Terracottafarben überstrichen. So sieht Deutschlands häufigstes Wohnzimmer aus, das die Experten der Werbeagentur Jung von Matt nach akribischen Recherchen zusammengestellt und aufgebaut haben.
Ob sich in diesem Wohndurchschnitt wirklich die meisten Deutschen wiederfinden und ob diese Akzentlosigkeit tatsächlich dem Charakter der Masse entspricht, darüber lässt sich trefflich streiten. Dass anspruchsvolles und spannendes Wohndesign anders aussieht, ist dagegen keine Frage. Doch wie geht gutes Design? Und passt das zu mir?
Auf diese Fragen haben Tina Kammer und Andrea Herold viele Antworten. Die beiden Gründerinnen und Inhaberinnen von Interiorpark.com, der nach eigener Aussage größten Online-Plattform für Eco Design in Europa, sind ausgewiesene Spezialistinnen für gutes Design mit einem Anspruch an Gestaltung und Nachhaltigkeit. Wie gehen sie vor, wenn es um die Gestaltung des persönlichen Umfelds geht? „Wir fragen zuerst nach den individuellen Vorlieben, versuchen herauszufinden, was der Kunde für ein Typ ist und welche Lebensgewohnheiten er hat“, sagt Architektin Tina Kammer. „Der eine mag es kuschelig warm, der andere ist eher der coole Typ, der eine Wand aus nacktem Sichtbeton toll findet“. Wichtig ist den beiden Expertinnen aber stets, den Wohnraum so zu gestalten, dass sich die Person darin spiegelt. „Natürlich spielen auch funktionale Aspekte eine Rolle“, ergänzt Andrea Herold. Aber diese Funktionen haben sich in den letzten Jahrzehnten deutlich verändert, so wie die Lebensumstände. „Mit der klassischen Familie Vater, Mutter, zwei Kinder haben die heute in vielen Fällen nichts mehr gemeinsam“, gibt Tina Kammer zu bedenken. Mit sich neu mischenden Familien oder Lebensgemeinschaften, der Pflege von Familienangehörigen ändern sich auch die Ansprüche an den Wohnraum. Entsprechend flexibel sollten Räume auch reagieren können, offene Grundrisse haben hier Vorteile. „Im Gespräch filtert sich meistens rasch heraus, wie das Leben unserer Kunden aussieht und welche Bedürfnisse die haben und haben werden“, erklärt Andrea Herold. Diese entsprechen allerdings nur in Ausnahmefällen vorgefertigten Entwürfen: „Die Kunden kommen zu uns mit einer Wohnzeitschrift und sagen, genauso wollen wir es haben. Im Gespräch kommt dann heraus, dass das nur zum Teil ihrer Persönlichkeit und ihren Bedürfnissen entspricht“. Eine Familie hat nun mal andere Ansprüche als ein Single, ein begeisterter Sammler andere als ein Fan des spartanischen Lebensstils. Auch ob man ein eher introvertierter Mensch ist, der den Wohnraum nur für sich plant, oder ob man häufig Gäste hat, denen man einen Einblick in seinen Lebensstil geben will, sei einer der Punkte, die abgefragt werden.
Brüche brauchen Mut
Selbstverständlich gibt es auch Regeln für die Inneneinrichtung. Der Goldene Schnitt für die Aufteilung von Flächen, eine Farbenlehre, funktionale Anforderungen an Möbel und Stauraum. Um diese herauszufinden seien Gespräche mit Experten für Einrichtung immer ein Gewinn. Denn obwohl jeder Mensch wohnt, heißt das noch lange nicht, dass jeder auch weiß, was ihm nützt. „Viele Kunden schicken uns Bilder von ihrem Wohnzimmer und fragen, ob diese oder jenes Möbel dazu passt. Daraus ergibt sich dann rasch eine Kurzberatung“, berichtet Andrea Herold.
Dabei kommt es dann auch durchaus zu Überraschungen. So passt zum Beispiel das alte Regal von der Oma perfekt zum modernen Design des Esstischs. Gleichzeitig sind sie Ausdruck der eigenen Persönlichkeit und Herkunft. „Die großen Möbelhäuser verkaufen eine Vorstellung von Wohnen, die den größtmöglichen Nenner für viele Menschen darstellt. Das muss nicht der eigene sein“, erklärt Tina Kammer, die für große Marken weltweit Shops eingerichtet hat und Unternehmen in Sachen Stil und Design berät. „Solche Brüche Alt gegen Neu brauchen auch den Mut zur Veränderung, denn man gibt ja auch einiges von sich preis“, ergänzt Andrea Herold. Seinen eigenen Stil zu finden, habe auch viel mit Ausprobieren zu tun, man sollte und könne sich dazu auch beraten lassen. „Das ist beim Wohnen wie bei der Kleidung. In einer guten Boutique schlägt die Verkäuferin oder der Verkäufer auch Kleidungsstücke vor, die dann Stück für Stück ausprobiert werden“, erklärt Tina Kammer, die auch eine Ausbildung und Berufserfahrung als Schreinerin hat. Für eine kostenpflichtige Vor-Ort-Beratung zu einer kompletten Neugestaltung bringen Experten wie die beiden Interiorpark-Gründerinnen viel Stilsicherheit mit, nötig sei aber auch das Vertrauen der Kunden. Ein Gesamtkonzept entstehe immer aus Einzelstücken, die dann zu einem stimmigen Ganzen gefügt werden. Offene, größere Räume, die sich über die Zeit auch wandeln können, seien dafür besser geeignet als kleine Zimmer. Aber auch auf begrenzter Fläche kann man sich mit schönen Dingen umgeben. Und nicht selten ist weniger mehr. Sprich, man sollte auch prüfen, ob man sich von gewohnten Einrichtungsgegenständen trennen kann und will. Die Trennung muss ja nicht von Dauer sein. Denn eine Wohnung sei eigentlich nie fertig, sagen viele Inneneinrichter. Diesen Wandel zu leben, macht eben viel von einer gelungenen Einrichtung aus. So lassen sich Bereiche optisch trennen, etwa mit einem Regal als Raumteiler wenn zum Beispiel ein Heimbüro benötigt wird. Oder ein Bereich erhält optisch eine Bindung, wenn die Möbel vor einer eigens gestalteten Wand stehen.
Keine Kompromisse bei der Qualität
Themen einer Umgestaltung sollten immer auch die Haptik, also die Wahrnehmung durch Berühren, und die Akustik sein. Offene Oberflächen und Naturmaterialien setzen Akzente, ein rauer Wandputz ist haptisch spannender als eine glatte Tapete. Viele glatte, harte Oberflächen im Raum erhöhen zudem die sogenannte Nachhallzeit, ein wichtiger Punkt für eine gute Akustik. Stoffe und textile Materialien dämpfen den Schall, so steigt auch die Verständlichkeit von Sprache. In extremen Fällen helfen Paneele an Decken oder Wänden aus schallschluckenden Baustoffen, die man sogar als Bilder gestalten lassen kann.
Wie man Qualität bei Möbeln wahrnimmt, ist auch eine Frage des eigenen Anspruchs. „Manchen Menschen ist ihr Auto wichtiger als ihre Einrichtung. Die sind dann auch mit Möbeln aus den großen Einrichtungshäusern zufrieden. Andere legen viel Wert auf individuelle Gestaltung und eine nachhaltige Produktion“, sagt Expertin Tina Kammer. Für ihren Onlineshop, der vor kurzem durch ein Ladengeschäft in Stuttgart aus dem Virtuellen ins Reale erweitert wurde, sucht sich das Team von Interiorpark ganz bewusst Entwürfe von Designern aus, die Wert auf eine ressourcenschonende, energiearme Produktion und natürliche Materialien legen. „Wir lassen uns alle Produkte zeigen und die Inhaltsstoffe auflisten, dann können wir auch einschätzen, wie sich das Möbel oder das Accessoire verhält“, sagt Andrea Herold. Jedes einzelne Stück in die Prüfkammer zu stecken sei viel zu teuer und von den oft kleinen Designlabeln nicht zu bezahlen. Damit geht es den Fachfrauen wie allen Möbelkäufern. Schadstoff- oder Nachhaltigkeitslabel für Möbel gibt es nur wenige und finden sich nur auf einem minimalen Bruchteil aller Möbel. Wer es genau wissen will, muss konkret nachfragen. Ob man dann auf seine Fragen eine qualifizierte Antwort bekommt, hängt davon ab wie intensiv sich der Gestalter und der Hersteller Gedanken zu ökologischen Aspekten gemacht haben. „Ein Sitz-Puff aus Naturwolle, der mit unbehandelten Kokosfasern gefüllt ist, hat ein ganz anderes ökologische Profil als ein Produkt aus Synthetik, das durch Kugeln aus Styropor seine Form erhält und im Zweifelsfall Schadstoffe mit in den Wohnraum bringt“, erklärt Tina Kammer.
In Sachen Schadstoffen hilft oft ein wichtiges körpereigenes Messinstrument, die Nase. Was intensiv nach Chemie oder „neu“ riecht, das sind in der Regel Schadstoffe. Im Zweifelsfall sollte man das stinkende Möbel und Ausstattungsgegenstände im Laden stehen lassen oder das nette Kissen aus dem Internet wieder zurückschicken. Dass Gerüche bei Möbeln auf Dauer einen Mangel darstellen, hat das Landgericht Coburg entschieden (siehe Kasten).
Ansonsten ist es für Möbelkäufer schwierig herauszufinden, welche Herstellungsmethoden und Inhaltsstoffe ein Einrichtungsgegenstand mitbringt. Bei handwerklich hergestellten Kleinserien wie bei den von Interiorpark angebotenen Eco Designern oder beim Schreiner vor Ort ist das leichter. Auch zahlreiche der in ÖKO TEST immer wieder vorgestellten Hersteller haben sich einer langlebigen und nachhaltigen Produktqualität verpflichtet. Aber bei vielen großen Herstellern helfen nur Produkttest oder die wenigen verfügbaren und noch seltener eingesetzten Label (siehe „Label für Möbel“). Wer sich ein wenig mit Herkunft und Qualität beschäftigt, stößt rasch auf Unterschiede. Beruht die Federung eines Sitzmöbel nur auf billigem Schaumstoff, der sich schnell durchsitzt, oder bietet eine Federkonstruktion auch nach Jahrzehnten sicheren Halt? Sind Verbindungsstellen von Bauteilen gezapft beziehungsweise gedübelt oder halten lediglich weiche Kunststoffverbinder das Stück zusammen? Ist ein Metallteil pulverbeschichtet oder ist der dünne Lack kratzanfällig und damit wenig dauerhaft? Wie viel echtes, massives Material steckt in dem Produkt oder werden diese nur vorgegaukelt? Steckt unter dem Furnier eine preiswerte Spanplatte, die im schlimmsten Fall noch Formaldehyd ausdünstet, oder wurde eine teurere aber stabile Tischlerplatte verarbeitet? Ist das überhaupt ein Echtholzfurnier oder doch nur eine billige Folie, die nur so tut als sei sie Holz? Da hilft nur informieren, nachfragen, anfassen und hinter die Fronten schauen. Am Ende steht dann ein bewusst ausgesuchtes, schönes Stück Möbel, das lange Freude bereitet und seine Funktion erfüllt.
Urteil: Stinkende Möbel kann man zurückgeben
Verströmen Schlafzimmermöbel auch mehr als ein Jahr nach dem Kauf noch einen unangenehmen Chemikaliengeruch, kann man als Käufer vom Vertrag zurücktreten. Dabei ist es unwichtig, ob die Stoffe, die für die Gerüche verantwortlich sind, auch gesundheitsschädlich sind.
Das hat das Landgericht Coburg in seinem Urteil vom 13.5.2009, (Az: 21 O 28/09) entschieden, das vom OLG Bamberg (Beschlüsse vom 13.7. und 7.8.2009, Az: 6 U 30/09) bestätigt wurde. Im zugrunde liegenden Fall kaufte die Klägerin beim Beklagten eine Einrichtung in Esche massiv für rund 6.200,- €. Doch auch Monate nach dem Kauf verströmten die Möbel einen unangenehmen Chemikaliengeruch. Die Klägerin monierte diesen Zustand. Der Verkäufer konnte aber keine Abhilfe schaffen. Als eine Raumluftanalyse eine auffällige Häufung flüchtiger organischer Verbindungen ergab, trat die Klägerin vom Kauf zurück und klagte auf Rückzahlung des Kaufpreises. Mit Erfolg, denn das Landgericht Coburg gab ihrer Klage statt und verurteilte den Verkäufer zur Rückzahlung des Kaufpreises an die Kundin. Die Begründung: Die mit diesem Geruch verbundene nachvollziehbare Sorge der Käuferin, dass dadurch ihre Gesundheit gefährdet werde, verhindern nach Auffassung der Gerichte einen ungestörten Gebrauch der Schlafzimmereinrichtung. Unabhängig von der Frage, ob es für die organischen Verbindungen einen verbindlichen Grenzwert gibt und dieser überschritten war, eignen sich die Möbel nicht für die gewöhnliche Verwendung, also das Schlafen in dem mit ihnen ausgestatteten Raum, und sind deshalb mangelhaft. Denn auch ohne besondere Vereinbarung kann ein Käufer solcher Möbel erwarten, dass sie geruchsneutral sind oder Geruchsentwicklungen, die wegen der Lackierung unvermeidbar sind, zumindest alsbald nach dem Aufstellen verschwinden.