Die Kommunikation der „Dinge“ heißt der Fachartikel, den wir für das Buch „Aussicht-Rückblick-Eindruck“ geschrieben haben. Dabei geht es im Kern um die Frage, was Dinge mit denen wir uns umgeben über uns aussagen, welchen Wert sie für uns darstellen und wie Räume mit uns kommunizieren.
Tina Kammer
Dipl. Ing. (FH) Architekt
Betreibt zusammen mit ihrer Geschäftspartnerin
Andrea Herold InteriorPark. mit zwei Geschäftsbereichen: dem Online Shop für Eco Design Möbel und Wohnaccessoires und der Agentur für nachhaltige Architektur und Kommunikation
Die Kommunikation der „Dinge“
Schon als Kind habe ich mich auf das Finden von Sitzmöglichkeiten in Kaufhäusern spezialisiert. Besonders beliebt waren dabei Umkleiden, in die ich mich zurückziehen konnte, denn Shopping-Touren waren mir schon immer ein Graus. Es fällt mir bis heute schwer diese Beschäftigung als angenehmen Freizeitvertreib zu verstehen. Vielleicht war das einer der Gründe, wieso ich mich dann beruflich genau auf dieses Gebiet konzentriert habe. Sowohl bei der Gestaltung und Herstellung von Möbeln, wie auch als Architektin mit Fokus auf den Innenraum, empfand ich den Blick aus der Distanz immer als hilfreich. Gerade die Gestaltung von Verkaufs- und Ausstellungsflächen boten mir die Möglichkeit das Erlebnis beim Einkauf zu hinterfragen, um neue Wege einzuschlagen.
Sieht man sich die Fülle der Angebote mit all seinen bunten Kaufreizen an, so kann man sich schon fragen: Was haben diese Dinge tatsächlichen an Wert? Wozu brauche ich das alles überhaupt?
Der Wert
Der Wert wird zum einen über den tatsächlichen Preis definiert. Dieser wird bestimmt durch die anfallenden Kosten bei Produktion und Transport als auch die Margen der Unternehmen.
Es gibt aber noch einen gefühlten Preis, den wir beim Kauf ganz persönlich als angemessen halten, weil wir dem Ding einen gewissen Wert beimessen. Dieser wird bestimmt durch unseren Wunsch dieses Ding zu besitzen und zu nutzen. Sei es aus praktischen Beweggründen oder auch ganz persönlichen.
Nicht bewertet werden dagegen die Kosten der negativen Hinterlassenschaften, die bei der Rohstoffförderung, der Produktion und dem Transport entstehen und klammheimlich der Gemeinschaft übertragen werden. Insofern gibt es noch den Preis für die Allgemeinheit, die die Folgen von verschmutzten Gewässern, sauren Böden und gerodete Wälder global zu tragen hat. Diese negativen Auswüchse verantworten wir durch den Kauf indirekt mit. Selten gelingt es die Ausmaße zu überschauen, denn die komplexen Verflechtungen der Unternehmen mit ausgelagerten Bereichen und involvierten Subunternehmen, können wir als Käufer nicht überblicken.
Kaum eine Kaufentscheidung wird ausschließlich vom Verstand getroffen. Die Wegwerfgesellschaft hat ihren Bezug zu Dingen verändert. Nach dem Wunsch des Besitzens und Nutzens, werden Dinge weggeworfen, ohne Bezug auf Vergangenheit und Zukunft. Fragen wie: Wo kommt es her? Wie wurde es aus was hergestellt? und: Wo wird es mal landen? stellen sich beim Kauf nicht. Das erstaunt, schließlich wird der kurzen Verweildauer des Besitzen-wollens so viel Bedeutung beigemessen, dass dafür ganze Marketingmaschinerien zum Einsatz kommen.
Es gibt viele Studien zur Preisentwicklung der letzten Jahre. Insgesamt sind die Preise für Konsumgüter, im Vergleich zu den dafür abzuleistenden Arbeitsstunden, in den letzten 30 Jahren gefallen.
Wir konsumieren zu schnell und zu leicht, als dass wir zu Dingen Beziehungen aufbauen. Sie sind nicht mehr Begleiter eines Lebensabschnitts und sind schnell vergessen. Vorbei sind auch die Zeiten als wir auf einen Fernseher noch lange gespart haben – dafür gibt es heute Angebote für Ratenzahlungen. Immer schneller werden immer mehr Dinge auf dem Markt geworfen. Das Qualitätsmerkmal Langlebigkeit wurde von der Schnelligkeit und dem Innovationsdruck, immer neue Produkte anbieten zu müssen, überrollt. Das hat immense Auswirkungen auf Qualität und Design, das dann eher dem Zeitgeist folgt, als zeitlos künftig als Klassiker zu gelten.
Laut dem Spiegel Magazin besitzt eine amerikanische Familie heute durchschnittlich die Doppelte Anzahl von Dingen wie vor 25 Jahren. Nach Schätzungen des Instituts für Umweltforschung der Uni Dortmund werden in Deutschland jährlich 7 Mio. Tonnen Möbel einfach entsorgt. Davon werden nur etwa 5 % der veralteten Möbel weiterverwendet. Die meisten Dinge sind ursprünglich nicht zum Recyceln produziert worden und so erhalten wir beim Wiederverwerten nicht nur die Schadstoffe, sondern verbrauchen auch erneut Energie.
Der Wunsch und das Verlangen etwas zu Konsumieren stehen klar über dem Bewusstsein der Vergänglichkeit der Dinge und so streben wir immerzu nach noch mehr Dingen. Besonders absurde Züge nimmt dieses Verhalten bei technischen Geräten an – obwohl wir wissen, dass diese Geräte eigentlich gleich nach dem Kauf schon an Wert verlieren. Mobiltelefone, Rollerskates, Snowboards und Brotbackmaschinen lagern dann meist ungenutzt in Kellern und Garagen. Dinge, die wir einmal dringend und ganz schnell zu brauchen glaubten und die jetzt nur noch im Weg stehen. Sie wurden mit viel Aufwand produziert und vermarktet und sind jetzt doch nur noch nutzlos.
Wozu brauchen wir Dinge?
Zunächst erfüllen Dinge Funktionen. Sie sind Werkzeuge des Alltags, bereichern unser Lebensumfeld oder sind einfach dekorativ zum Anschauen. Sie haben ein spezifisches Aussehen und sind aus bestimmten Materialien hergestellt. Manche haben einen eigenen Geruch oder eine eigene Haptik, die uns ansprechen.
Die meisten Dinge mit denen wir uns täglich umgeben, brauchen wir jedoch nicht, und trotzdem ist der Konsum auf einem Höchststand in der Geschichte angekommen. Die Frage, warum wir uns mit Dingen umgeben, lässt sich unterschiedlich beantworten. Entweder die Werbung hat uns erfolgreich vermittelt, dass wir sie brauchen, oder jemand hat es bereits und suggeriert uns damit, dass wir es auch haben müssen. Das funktioniert besonders gut, wenn wir denjenigen mögen oder bewundern. Das daraus resultierende Empfehl-Marketing ist ja bereits ein erfolgreiches Rezept.
Mit was wir uns umgeben
Warum wir uns mit manchen Dingen umgeben möchten, wissen ist uns meist gar nicht bewusst. Eher ist es so, dass uns die Dinge verraten, warum wir uns mit ihnen umgeben. Sei es unsere Herkunft, unser Geschlecht oder unser Stand in der Gesellschaft, der sich daraus herauslesen lässt. Es kann auch der Wunsch einer Zugehörigkeit sein, den ich so auszudrücken vermag. Wir können unseren gesellschaftlichen Stand manifestieren oder erhöhen, wenn wir uns mit bestimmten Dingen umgeben. Marken vermitteln uns mit viel Aufwand und Geschick die Vorstellung eines Lebensgefühls. Wir können unser tatsächliches oder gewünschtes Lebensgefühl durch die von uns gewählten Markenwelten definieren und unterstreichen. Und so können wir uns unser ganz persönliches Lebensumfeld gestalten und uns darüber definieren. Marken gelten dabei als Gütesiegel des Vertrauens und des guten Geschmacks. Das Ansehen, das wir dadurch erlangen, kaufen wir quasi mit. Dabei sind wir alle davon überzeugt Individualisten zu sein und entsprechend ist unser Ziel uns mit individuellen Dingen zu umgeben. Dass so manches individuelle Produkt dabei globale Massenware ist, stört meist nicht.
Der Heißhunger auf Konsum hat große Auswirkungen, denn damit wir immer mehr Dinge kaufen können, müssen immer mehr produziert werden. Der dazu nötige Bedarf an Rohstoffen lässt die Preise steigen. Damit Hersteller mit konstanten Preisen kalkulieren können, schauen sie nicht so genau hin, wo und wie diese Rohstoffe gefördert werden. In regelmäßigen Abständen werden Skandale aufgedeckt, doch sind wir inzwischen immun gegen all die Schreckensmeldungen. Soziale Ungerechtigkeiten bis hin zu Bürgerkriegen in den Herstellungsländern werden billigend in Kauf genommen, schließlich haben sie den positiven Effekt, billiger Rohstoffförderung und Produktion. Da diese Abläufe am Anfang der Wertschöpfungskette über anonyme Zulieferer und Händler läuft, sind die Unternehmen mit ihren Hochglanzmarken aus dem Schneider. Und solange der Konsument nicht genauer nachfragt, gelten die wohlklingenden CSR Berichte der Konzerne. Der Kunde steht dem Treiben fast machtlos gegenüber, schließlich will er nur das fertige Produkt kaufen.
Wenn wir dann die Dinge nicht mehr mögen oder brauchen, schmeißen wir sie einfach weg. Schließlich wollen wir ja wieder etwas Neues kaufen. Einige Dinge sind quasi zum Wegwerfen produziert worden. Nehmen wir beispielsweise eine Plastiktüte. Um diese kommen wir, ob wir wollen oder nicht, nicht herum – sie ist quasi alternativlos geworden. Sie ist in der Regel etwa 15 Minuten im Gebrauch, bevor sie dann die nächsten 300+ Jahre irgendwo bleibt. Und wo bleibt sie? Die schwimmende Insel aus Plastikmüll auf dem Ozean hat inzwischen die Größe Europas erreicht und Plastikpartikel findet sich dann am Ende im fangfrischen Fisch auf unseren Tellern wieder. Egal was wir auch tun, die Erde ist eine Kugel und die Dinge, die wir einst haben wollten und nun Müll geworden sind, begegnen uns auf unterschiedliche Weise wieder. Entweder im Trinkwasser, in der Luft oder eben in unseren Mägen.
Müll sehen wir als Abfall, dabei schmeißen wir letztendlich Rohstoffe weg. So werden allein in Europa rund 3 Mio. Tonnen hochwertige Rohstoffe unwiderruflich zerrstört. Das geht ins Geld und wird in Zukunft den Preis der Dinge mitbestimmen, denn Rohstoffe sind endlich. Die weltweite Nachfrage an Kupfer hat sich z.B. in den letzten 30 Jahren verdoppelt und der Preis fast verdreifacht. Viele Rohstoffe können nur an wenigen Orten auf der Welt gefördert werden und die Sicherung von Fördermengen ist für die Industrie essentiell. Das beste Beispiel hierfür sind seltene Erden ohne die wir kein technisches Gerät herstellen können. Ganze Industriezweige stehen in Abhängigkeiten. Die Situation wird sich kaum entschärfen und die Machverhältniss langfristig verändern. Wir werden Kompromisse eingehen und noch mehr wegschauen, um uns wichtige Rohstoffe zu sichern.
Viel wird daher über den Wandel gesprochen. Und der Konsum? Wir Konsumenten verlangen mehr und mehr nach Dingen hinter denen wir stehen können. Wir wollen vermehrt mitreden und verantwortungsvoll einkaufen. Uns interessiert die Historie der Dinge, die wir kaufen und wir wollen wissen wohin damit, wenn wir sie nicht mehr brauchen. Wir wollen unser Ansehen nicht negativ beeinflussen, sondern den Nachweis liefern, dass wir uns korrekt verhalten. Doch wie können wir das alles beurteilen? Eine mündige Konsumentengeneration ist ohnmächtig dem Treiben der Konzerne ausgeliefert, denn jeder Versuch hinter die Fassaden zu blicken, scheitert an der Komplexität der Zusammenhänge.
Orientierung
Es gibt eine Vielzahl an Nachweisen, Berechnungsgrundlagen und Zertifikaten, um uns bei der Beurteilung zu unterstützen. Inzwischen ist ein Zertifizierungsmarkt entstanden durch den viel Geld verdient wird. Die Vielzahl der Green-Labels, die größtenteils auch von der Industrie ins Leben gerufen worden sind, bringt aber anstelle von Orientierung eher Verwirrung. So hat jedes Label seine eigenen Kriterien, die mitunter nicht vergleichbar sind. Zusätzlich gibt es gesetzliche Richtlinien, die uns ebenso überfordern: Grenzwerte, Richtwerte, Zielwerte, Referenzwerte, Eingriffswerte, Orientierungswerte. Der Versuch Nachhaltigkeit messbar zu machen und damit wissenschaftlich zu untermalen, kann Vertrauen und Glaubwürdigkeit vermitteln. So werden CO2 Footprints errechnet und Ökobilanzen erstellt. Das kostet den Hersteller zwar viel Geld, hat aber zusätzlich den Vorteil die positiven Ergebnisse in seine Unternehmenskommunikation und in seine Marketingmaßnahmen zu integrieren.
Doch welcher Versuch auch unternommen wird, um uns als Käufer Orientierung und Sicherheit zu vermitteln, er scheitert an der Komplexität von Nachhaltigkeit und der unklaren Gewichtung zwischen ökonomischen, ökologischen und soziokulturellen Aspekten der Nachhaltigkeit.
Letztendlich ist die Bandbreite der Beweisführung nachhaltiger Produktion und Unternehmensstrukturen so groß, dass selbst für Fachkundige Fragen bleiben: Wo liegt die Bemessungsgrundlage, was würde mit welcher Gewichtung eingerechnet, wurden negative Kriterien durch positive ausgeglichen? Ist der gesamte Produktionsprozess samt Zulieferer in die Berechnung eingeflossen?
Nachhaltigkeit wird immer ein Grenzgang bleiben. Zu viele Faktoren und zu viele Meinungen treffen hier aufeinander. Es gibt kein „richtig“ und kein „falsch“ und eine aussagekräftige, fundierte Definition fehlt. So ist es immer auch Auslegungssache ab wann ein Ding wie nachhaltig ist.
Nehmen wir das Beispiel Architektur.
Die Zertifizierung von Gebäuden und Stadtgebieten ist ein weltweiter Trend und ist eingebunden in Vermarktungsstrategien von Investoren und Unternehmen. Mit dem Ziel der Reduktion des CO2 Ausstoßes wurden raffinierte Dämmmethoden entwickelt , die zu immer dichteren Gebäudehüllen führen. Dies ist bei immer steigenden Energiekosten auch aus ökonomischer Sicht sinnvoll. Daher kümmert es uns gerade noch nicht, was eigentlich mit all dem verarbeiteten Material einmal passieren mag, wenn es brüchig und alt wird, oder das ganze Gebäude abgerissen wird. Um all den Sondermüll werden wir uns demnächst kümmern müssen.
Für den Innenraum hat die effektive Dämmung jedoch den negativen Effekt eines schlechten Innenraumklimas, denn Materialien dünsten ihre Inhaltsstoffe langfristig aus. Bisher konnten diese flüchtigen Inhaltsstoffe aus Böden, Wänden und Ausstattung durch die „luftigen“ Wände entweichen. Nun reichern sie sich im Innenraum an und werden mitunter zu giftigen Cocktails. Da der Innenraum schon aus rechtlichen Gründen aus dem Zertifizierungsprozess fällt – schließlich kann kein Mieter oder Verkäufer vorschreiben wie der Innenraum ausgestattet wird – gab es wenig Anstrengungen Ausstattungsmaterialien und Möblierung schadstofffrei herzustellen. Zertifikate und VOC-Nachweise (flüchtige organische Inhaltsstoffe) für Möbel und Innenraummaterialien beziehen sich immer nur auf ein Bauteil. Die Komplexe Zusammensetzung aus Böden, Wänden, Möbeln, Einrichtungsgegenständen, Pflanzen und auch Menschen lassen sich nicht in einem erfassen. Dazu kommt, dass Hersteller ihre Materialien stetig optimieren und die Inhaltstoffe ändern.
Nachhaltigkeit von Innenräumen messbar zu machen, funktioniert noch nicht! Der Markt fordert keine Lösungen ein und daher hinkt die Industrie für Innenraummaterialien und Einrichtung beim Thema Nachhaltigkeit und gesundes Bauen hinterher. Inzwischen leiden aber viele Menschen an gebäudebezogenen Krankheiten. Gerade für Bürogebäude wird dies durch steigende Krankheitsausfälle zu einem ökonomischen Problem. Allergien, Konzentrationsstörungen bis hin zu Asthma kosten Unternehmen viel Geld. Daher wächst die Chance, dass sich in diesem Bereich eine rasche Entwicklung abzeichnet.
Nachhaltigkeit muss nicht nur die sogenannten Gutmenschen antreiben, die gerne die Welt ein wenig besser machen möchten und viel darüber berichten. Vielmehr geht es doch darum, unsere Lebensqualität zu verbessern. Wenn Innenräume Menschen inspirieren, sie sich darin wohlfühlen, leistungsfähig und gesund sind, dann ist nachhaltiges Bauen auch ein ökonomisches Thema.
Nachhaltigkeit und Kommunikation
Moderne Unternehmen reagieren mit Transparenz und offenem Dialog mit seinen Kunden. Sie stellen sich den Herausforderungen, überarbeiten mit viel Aufwand ihre Prozesse, um Nachhaltigkeit in ihren Strukturen fest zu verankern.
Der Begriff „Nachhaltigkeit“ wurde vor 300 Jahren geprägt und ist das Handlungsprinzip zur Ressourcen-Nutzung. Das Prinzip der Nachhaltigkeit stammt aus der Forstwirtschaft und basiert auf der simple Aussage, nicht mehr Bäume zu fällen, als nachwachsen können. Es umreißt in seiner Konsequenz die Zukunftsfähigkeit eines Ökonischen Systems: fällen wir zu viele Bäume, können wir bald keine mehr fällen. Betrachten wir das globale Wirtschaftstreiben, sind wir von diesem Ansatz noch immer weit entfernt.
Alle Bemühungen globale Lösungen zu finden, scheiterten und so sind wir heute in der Situation, dass wir fleißig an dem Ast sägen, auf dem wir sitzen. Das Prinzip des Wachstums lässt sich eben nicht einfach durchbrechen. Das System, dem wir stoisch folgen, wird nicht überlebensfähig sein, und damit ist das Thema Nachhaltigkeit ein ganzheitliches, politisches.
Lichtblicke finden sich vor allem im kleinen Umfeld von Unternehmen, Start-ups und Designern, die neue Wege einschlagen und ihr Geschäftsmodell nach den Nachhaltigkeitskriterien ausrichten. Vertrauensvoll und ehrlich können diese ihr Angebot vermitteln. Schwieriger ist es für Unternehmen, wenn sie ihr Nischendasein in Richtung Wachstum verlassen, der Kostendruck steigt, die Produktion und das Sourcing müssen optimiert werden.
Unternehmen müssen immer mehr auf das steigende Bewusstsein ihre Kunden hin zu sozialer, ethischer und ökologischer Verantwortung beim Kauf reagieren. Und so zeichnet sich wirtschaftlicher Konsum nicht mehr aus durch „mehr kaufen“, sondern „sinnvoll kaufen“. Eine neue Wirtschaft ist dadurch nicht nur möglich, sie findet bereits in kleinem Rahmen statt. Rasante Entwicklungen und steigender Nachfrage von Seiten der Industrie und Wirtschaft führen zu einem überdurchschnittlich hohen Interesse an Nachhaltigkeitsthematiken.
Welche Auswirkungen zeigen sich bei der Produktentwicklung? Und welche Chancen ergeben sich für die Produktentwickler?
Der Designer
Der Designer übernimmt hierbei eine zentrale Rolle. Er entwickelt die Dinge, die uns morgen ansprechen, die einen möglichst großen Nutzen sowohl für uns Konsumenten als auch für die Wirtschaft bieten. Neben Funktionalität, Ästhetik und Wirtschaftlichkeit muss er sich heute auch mit Themen wie nachhaltige Produktionsverfahren, Ökobilanzierungen und Lebenszykluskosten auseinandersetzen.
Meist müssen diese Aufgaben global gedacht und umgesetzt werden. Produkte müssen weltweit gefallen und funktionieren. Das Potential eines guten Entwurfs beinhaltet maßgeblich den zu erwartenden Energieverbrauch, den Schadstoffausstoß durch die Materialwahl und Abfallvermeidung durch die Einbeziehung von Kreislaufsystemen. Das Einsparpotential, dass der Designer durch seinen Entwurf vorgibt, kann immens sein: allein beim Energiebedarf sind bis zu 90 % Einsparung möglich.
Somit ist seine Aufgabe komplexer geworden und die Zukunftsfähigkeit seines Designs hängt von all diesen Komponenten gleichermaßen ab. Er vermittelt zwischen Konsumenten und Unternehmen.
Dinge sind heute austauschbar geworden. Wir sind umgeben von Massenware und einem endlos erscheinenden Überangebot – da wird Differenzierung zur Mangelware. Und gutes Design?
Der Grand Senior des deutschen Designs, Dieter Rahms hat dazu 10 Thesen aufgestellt. Demnach ist gutes Design:
1. Innovativ
2. macht ein Produkt brauchbar
3. ästhetisch
4. macht ein Produkt verständlich
5. ehrlich
6. unaufdringlich
7. langlebig
8. konsequent bis ins letzte Detail
9. umweltfreundlich
10. so wenig Design wie möglich.
Nachhaltiges Design folgt keiner eigenen Formel und so gilt auch hierfür als Antreiber die Leidenschaft für die Arbeit. Diese Leidenschaft spiegelt sich in der Qualität des Designs wieder. Am besten lässt sich dies anhand von Beispielen erläutern.
Der Stuhl Inja ist aus Stoffresten hergestellt, die in der Modeindustrie abfallen. Dafür wurden traditionelle Handwerktechniken und aufwändige Handverarbeitung mit recycelten Materialien kombiniert. So entstand ein außergewöhnliches und sicherlich unkonventionelles Produkt.
Sein Designer Ryan Frank ist in Südafrika geboren und arbeitet als Möbeldesigner in Barcelona und London. Er zählt zu den führenden Designern im nachhaltigen Bereich. Seine Entwürfe spiegeln seine afrikanischen Wurzeln wider. Sie erzählen Geschichten und bekommen eine Tiefe und eine Ausdruckskraft, die im heutigen Design selten zu finden sind. Nachhaltigkeit ist für ihn immer eine Herzangelegenheit.
Diese ausgefallene Lampe ist aus übrig gebliebenen Vietnamesischen Magazinen oder Drucküberschüssen hergestellt. Angewandt wurde dabei die gleiche Technik wie sie für klassische Vietnamesische Girlanden zum Einsatz kommt.
Die Designerin Carla Peters entwirft für ihre Marke Wonderable Wohnaccessoires und verbindet dafür das Beste aus zwei Welten: Design und Marketing aus den Niederlanden und traditionelle Herstellungsmethoden und Handwerkskunst ferner Länder. Auf diesem Weg werden in Fair Trade Projekten Arbeitsplätze von Fachkräften erhalten und neue geschaffen sowie Wohlstand für die Menschen vor Ort gesichert.
Der Stuhl RD Legs Chair ist ein Kultobjekt für ökologisches Design. Der Designer Richard Liddle hat damit einen Designklassiker geschaffen, der bereits heute internationales Renommee genießt und weltweit in Museen ausgestellt wird. Er wird limitiert aus 100 % recyceltem Plastikmüll in England hergestellt. Die eigens dafür entwickelte Maschine zerkleinert Plastikmüll, erhitzt ihn und formt daraus eine endlose Schnur. Diese wird per Hand um eine Form geschlungen und danach abgekühlt. Für die Herstellung wird weder Kleber noch sonstige zusätzlichen Fixierungen benötigt. Einzig und allein Hitze und handwerkliche Fähigkeiten sind nötig. Außerdem kann der Stuhl immer und immer wieder recycelt werden.
Diese drei Beispiele zeigen mit welchem Ansatz neue Entwicklungen vorangetrieben werden. Nicht die Auseinandersetzung mit dem zu entwerfenden Endresultat war relevant für die Entwürfe, es war vielmehr der intellektuelle und kreative Umgang mit dem Thema Nachhaltigkeit und letztendlich mit dem zu verarbeitenden Material.
Design hat heute an Relevanz gewonnen und wir sind geradezu süchtig nach Design – ob Produktdesign, Modedesign oder Architektur. Design spiegelt immer die Gesellschaft und den Zeitgeist wider. Der entscheidende Faktor zur Differenzierung für erfolgreiche Unternehmen und ihre Marken heißt: Design. Deshalb nutzen innovative Unternehmer und Marketing-Profis Design als Werkzeug und bieten ihren Kunden den Mehrwert, der wirklich erlebbar wird.
Betrachten wir Dinge nicht einzeln, sondern in der Summe im räumlichen Umfeld, so geben diese dem Raum seine Funktion und prägen vielseitig sein Gesamtbild.
Die Kommunikation der „Räume“
Wir denken bei Kommunikation in erster Linie an das zwischenmenschliche Gespräch. Dabei spielen die Inhalte und das rationale Verstehen eine untergeordnete Rolle. Wenn jemand zu uns spricht, sind wir mit etwa 80% unserer Aufmerksamkeit von der sinnlichen und sozialen Präsenz unseres Gegenübers gefangen, etwa 13 % bleiben an der Sprache hängen und nur der klägliche Rest von 7 % gilt dem Argument.
Denken wir an Räume, so glauben wir diese vorrangig visuell zu deuten und zu bewerten. Dabei werden Räume mit all unseren Sinnen wahrgenommen. Wir nehmen Reize über das Sehen, Hören, Tasten, Riechen und Fühlen auf. Ob wir uns in einem Raum wohlfühlen oder nicht entscheiden wir nicht rational. Es ist vielmehr ein Gefühl das uns dies verrät. Millionen von Sinneseindrücken wirken täglich auf uns ein. Weniger als die Hälfte davon nehmen wir bewusst wahr. Alle anderen landen in unserem Unterbewusstsein, unser Gehirn trifft sozusagen eine Vorauswahl.
Doch die Eindrücke an sich formen noch nicht das Gefühl, denn die Sinneswahrnehmung wird durch die Persönlichkeit des Betrachters bewertet: Alter, Geschlecht, Stimmung, Charakter, Kultur, Bildung, Erfahrung, selbst die Nationalität spielen dabei eine Rolle und fungieren quasi als Filter.
Die Wechselbeziehung zwischen Mensch und Raum kann so umgesetzt werden, dass die Kommunikation im Raum bewusst gesteuert wird. Bestimmte Aussagen können so über Räume getroffen werden. Menschen können in andere Welten versetzt und überrascht werden. Räume können anregend oder beruhigend gestaltet werden und die Stimmung der Menschen beeinflussen. Anhand eines Beispiels lässt sich dies gut erläutern.
Beim Umbau einer Bäckerei zu einer Kunstgalerie standen wir vor der Herausforderung einen wenig attraktiven Ort zu einem „Place to be“ zu gestalten. Das Gebäude von 1953 liegt in einer Straße, die gerade noch vom Zentrum aus zu Fuß erreichbar ist. Ein Ort mit wenig Anziehungskraft und wenig Relevanz für die Kulturszene der Stadt. Daher fragten wir uns: Welche Geschichte lässt sich hier erzählen?
Dazu ein kleiner Exkurs: Recycling ist so alt wie die Menschheit. Oft aus der Not heraus, wurden und werden Dinge in allen Kulturen wieder verwendet. Entdeckt wurde die Thematik des Zweckentfremden und neu Interpretierens aber auch von Künstlern. Erste Ansätze fanden sich bereits 1917 in den Werken von Marcel Duchamp, den sogenannten „Readymades“. Das umfunktionierten von Dingen des Alltags wurde seither immer wieder von Künstlern entdeckt und in deren Arbeiten umgesetzt.
Wir entschieden uns den Umbau ganz unter dem Motto: Reduce. Reuse. Recycle. zu realisieren. Viel Zeit verbrachten wir dazu vor Ort, um im Fundus nach Brauchbarem zu stöbern. Statt einer architektonischen Planung wurde während des Umbaus direkt auf die Entwicklungen und Raumwirkungen eingegangen – eine unkonventionelle Entstehungsgeschichte mit überraschendem Ausgang.
Wir konnten die Galerie ausschließlich mit gefundenen Dingen ausbauen. Für den gesamten Umbau wurde lediglich ein wenig Farbe gekauft. Die Besucher erleben in den daraus entstandenen Räumen kontrastreiche Atmosphären, die zusammen als flexibler und lebendiger Ort für künstlerischen Austausch dienen.
Die Abrissästhetik des Eingangsbereichs wird als Bruch zwischen ehemaliger und neuer Nutzung wahrgenommen. Die Holzeinbauten des Verkaufsraumes wurden entfernt und im Rohzustand belassen und mit Zitaten der Bäckerei aufgewertet. So findet sich ein Fliesenpanel der ehemaligen Wandverkleidung als Frontseite der Theke wieder. Sitzelemente im Schaufenster wurden aus gebrauchten, patinierten Regalbrettern der Backstube gefertigt und die Sitzflächen aus geflochtenem Backpapier ausgepolstert – eine Replik an duftende Hefezöpfe, Backstuben und traditionelle Handwerkskunst.
Das angrenzende ehemalige Café wird nach wie vor durch die originale Glastür mit der Aufschrift „Café“ betreten. Die Holzverkleidung an Wänden und Decken wurde beibehalten und durch Champagner-goldene Fugen hervorgehoben. In deutlichem Kontrast zum vorderen Raum hat das Café eine warme Anmutung und lädt zum prunkvollen Verweilen zwischen Nostalgie und Neuinszenierung ein.
Eine Vielfalt an Assoziationen wird je nach Betrachter unterschiedlich hervorgerufen und löst unterschiedliche Reaktionen hervor. Ein reger Dialog zwischen den Räumen und Gästen entsteht. Künstler müssen sich mit ihren Installationen den starken Räumlichkeiten annähern und die Grenzen zwischen Raum und Kunst ausloten.
Architektur als Spiegel der Gesellschaft
Architektur spiegelt immer die Gesellschaft, die Zeit und den politischen Kontext wider. Die Epoche der „Moderne“ in Deutschland, begründet durch das Bauhaus, empfinden wir bis heute als zeitgemäß modern. Die Formensprache, definiert als: formschön, praktisch und vollkommen schnörkellos, findet sich auch 90 Jahre nach Entstehung in unseren modernen Häusern und Möbeln. Kein Architekturstil war seither so erfolgreich. In gewisser Weise sind wir gefangen in einem ästhetischen Dogma, das aus den Anfängen des 20. Jahrhunderts stammt.
Deshalb haben wir uns in unserem Unternehmen zum Ziel gesetzt, mit außergewöhnlicher Architektur und Design Denkanstöße zu geben, fernab von festgefahrenen Stilen und Ästhetik-Vorgaben.. Wir sind leidenschaftliche Geschichten-Erzählerinnen und brechen so manche konventionelle Sichtweise auf. Dabei kommen wir dem wachsenden Wunsch nach Authentizität nach und stehen im Dialog sowohl mit Konsumenten, als auch mit Experten. Wie sehen die Räume aus in denen wir leben, wohnen und arbeiten werden? Was bedeutet das für Architekten und Designer? Welche Chancen bieten sich daraus für Unternehmen?
Laut einer aktuellen Erhebung des Global Footprint Networks, würden wir, wenn alle so leben würden wie wir hier in Deutschland 1,6 Erden benötigen. Da es aber nur eine gibt, liegt es an uns Menschen Lösungen zu finden. Wir haben eine komplexe Welt erschaffen, deren Gestaltung vielschichtige spannende Fragen aufwirft: Es gibt keine Alternative zum Wandel in unserer Gesellschaft.
Der beste Weg, die Zukunft vorauszusagen, ist, sie zu gestalten. (Willy Brandt)