Bauwende im Effizienzland

Interview im Deutschen Architekteblatt DAB
02.2022 | Seite 14-15

„Leuchtturm Projekte reichen nicht mehr. Das Thema Nachhaltigkeit muss als ganzheitlicher Teil aller Fächer verstanden werden – von Baukonstruktion über Materialkunde bis hin zur Statik der Bauteile“, sagt Architektin Tina Kammer, deren Büro InteriorPark. in Stuttgart seit vielen Jahren Kompetenz im Feld der Nachhaltigkeit aufgebaut hat und gefragt ist als Zweitgutachterin und Vortragende. Büro-Partnerin Andrea Herold entwickelt Nachhaltigkeitsstrategien für Unternehmen.

Dass die bisherigen Entwicklungen und Anstrengung zum Gelingen der Bauwende ausreichen, sieht Tina Kammer noch nicht. „Neben der konsequenten Anwendung in jedem Neubau und auch bei Umbauten oder Sanierungen, muss das Thema Einzug in die Lehre halten“, so ihre Überzeugung. Nachhaltigkeit laufe bisher eher als „Add-On“ bei bestehenden Studiengängen als ein durchgehender roter Faden. Ursache dafür sei auch die deutsche Gestaltungstradition. „Effizienz können wir wirklich gut, aber beim Thema Fehlerkultur kommen wir ins Straucheln.“ Konventionelle Bauweise werde selten hinterfragt. „Wer aber nachhaltig baut, muss aufwändige Beweise vorlegen. Alles wird hinterfragt und muss belegt werden. Das ist widersinnig.“

„Nachhaltigkeit muss ins curriculare Zentrum“, sagt auch Susanne Dürr. „Natürlich explodieren gerade die Kooperationen und integrativen Ansätze, aber mit den Schnittstellen sind alle etwas überfordert.“Aus ihrer Sicht bräuchte es eine möglicherweise staatliche Instanz, die alles zusammenführt und strukturiert.

Die Politik könne wertvolle und wichtige Stellschrauben liefern und stehe hier auch in der Verantwortung, ergänzt Tina Kammer. Daneben müssten sich aber sämtliche Akteure „an die eigene Nase fassen“ und Nachhaltigkeit in ihrem tägliches Tun verankern, Haltung zeigen. Nachhaltigkeit sei als ganzheitliches Thema anzugehen: Banken, Investoren und Bauherrschaften, Fachplaner:innen, Architekt:innen, Ingenieur:innen Ingenieure, Industrie, Hersteller und Handwerk – sie alle seien involviert. Zukünftig werde es neue Geschäftsfelder geben: Anbieter, die Materialpässe erstellten und neue Fachplaner. „Das Thema ist komplex, bietet aber unglaubliche Chancen und Teil dieses Transformationsprozesses zu sein, entspricht eigentlich dem kreativen Kerngedanken unseres Berufs.“