md Magazin
Interior | Design | Architecture
Ausgabe 6./7.2019
Green Critics Kolumne InteriorPark. auf Seite 78-79
Tante Emma revisted
Dem Trend des Online-Shoppings stellt sich eine Gegenbewegung mit dem Revival des Tante-Emma-Ladens. Ist das tiefe Digi-Tal durchschritten? Und was sollte man bei der nachhaltigen Gestaltung eines Ladens im Zeitalter der Digitalisierung beachten?
Darf’s ein bisschen mehr sein? Mehr Naturnähe, mehr Ruhe, mehr Entschleunigung?
Die Generation der Landbewohner, die vor nicht allzu langer Zeit ihren Arbeitsplätzen hinterher in die Speckgürtel der Großstädte ziehen musste, kann nun – nicht zuletzt dank digitaler Anbindung an den Arbeitgeber – teilweise wieder dort leben und arbeiten, wo die Luft besser und die Mieten erschwinglich sind. Hier fehlt jetzt allerdings die Infrastruktur, die mit dem Wegzug aufgegeben wurde – es mangelt an Läden, die oft die Funktion eines Treffpunktes hatten und die eine wichtige soziale Anlaufstelle im Ort darstellten. Nicht selten werden daher eigeninitiativ vor allem Lebensmittelgeschäfte (wieder-) eröffnet und damit Dorfzentren aus ihrem Dornröschenschlaf geküsst.
Vorwärts in die Vergangenheit statt back to the future?
Selbst der amerikanische Internetriese, der die Gesellschaft gurugleich in den Bestellwahn geführt hat und mit zahllosen Mitstreitern dem stationären Handel den Garaus gemacht hat, drängt mit Pop-up Stores zurück ins echte Leben und plant in den USA weitere Buch– und Warenfilialen.
Findet ein weltweites Umdenken statt? Ist das tiefe Digi-Tal durchschritten und die Sehnsucht nach dem Warenaustausch in der realen Welt bricht sich Bahn?
Gleichzeitig verlieren aber größere Innenstädte an Attraktivität und werden mit den immergleichen regelmäßig auf – und wieder wegploppenden Ketten austauschbar. Die Einkaufsstraßen dienen nach wie vor als Treffpunkte und die Stadtbummler scheinen offen für ein Einkaufserlebnis abseits des digitalen Warenkorbs, dennoch klagen Händler über mangelnde Kundenfrequenz in ihren Geschäften.
Wie sollten Räume idealerweise ausgestattet sein, damit der Flaneur sie gerne betritt und verweilen möchte?
Vordergründig nicht sofort wahrnehmbare Faktoren spielen eine übergeordnete Rolle: Dinge wie Raumklima, Akustik und Beleuchtung entscheiden maßgeblich, ob wir einen Ort als angenehm empfinden und uns wohlfühlen. Der Einsatz von natürlichen Materialien bei der Innenraumgestaltung und die Verwendung umweltschonender Bausubstanzen wirken sich positiv auf das Klima des Innenraumes aus. Hier erweisen zum Beispiel lehmverputzte Wände einen großen Dienst Mit seinen feuchtigkeitsregulierenden Eigenschaften nimmt der älteste Werkstoff der Menschheit Feuchtigkeit auf, wo zu viel davon vorhanden ist und gibt sie ab, wo sie fehlt. Lehmwände können Wärme speichern und spenden, sind nicht zuletzt dank ihrer Tiefe und Echtheit von großer Ästhetik und in jeglicher Hinsicht nachhaltig.
Angenehmes Raumklima lockt
Mechanische Lüftungsanlagen schaffen es meist nicht, die Luftfeuchtigkeit zwischen den 40-60 %, die der Mensch zum Gesundsein benötigt, zu erreichen und zu halten. Abhilfe schaffen eine natürliche Belüftung der Räume und eine Temperatur von höchstens 22°C.
Auch eine lebendige Wand aus Pflanzen leistet hierfür erstaunliche Dienste. Freistehend kann sie eine große Fläche unterteilen, sie sorgt für frische Luft, das Grün bringt Harmonie in den Raum und wirkt ausgleichend. Gleichzeitig schluckt sie Lärm, der belastend sein kann, die Konzentrationsfähigkeit schrumpfen und das Stressempfinden wachsen lässt. Hier sind auch natürliche Wandpaneele oder schallschluckende Vorhänge hilfreich. Ebenso können Teppiche Wärme spenden und Lärm absorbieren – außerdem strukturieren sie einen Raum und bilden Inseln, was in einem großen Verkaufsraum Orientierung bieten kann. Ökologisch produziert und emissionsarm sollten diese sein, damit sie garantiert keine Wohngifte ausströmen.
Nicht zuletzt sorgt Beleuchtung für Atmosphäre. Sie setzt Produkte in Szene und rückt Räume ins rechte Licht. Dabei lässt sich beispielsweise durch die Zusammenarbeit mit lokal produzierenden Firmen und den Einsatz recycelter Materialien nachhaltig agieren.
Neue Läden braucht das Land? Auch hier macht es die Mischung. Ganz lässt sich kein Rad zurückdrehen (und soll es auch nicht), aber etwas mehr Wohlfühlinsel als Konsumtempel, viel mehr Bewusstsein für nachhaltige Innenarchitektur und ebensolches Shoppingverhalten – dann wird ein Schuh draus.
Sie benötigen doch hoffentlich keine Tüte?