Kreislaufwirtschaft in der Zukunft

Kreislaufwirtschaft ist in der Designbranche derzeit ein sehr gefragtes Wort. Inwieweit muss Design neu gedacht werden, damit Produkte zukunftsfähig sein können?

Kreislauffähig in die Zukunft? Ist unser Müll tatsächlich der Rohstoff von morgen? Der Anspruch wichtige Rohmaterialien im Kreislauf zu halten, führt zu neuen Produktentwicklungen und bedarf eines neuen Denkansatzes im Design. Designern kommt hierbei eine besondere Rolle zu – sie sind die Schnittstelle zwischen Konsument und Unternehmen. Schon beim Entwurf müssen sich Gestalter bei der Materialwahl und den daraus resultierenden Produktionsprozessen bis hin zur weiteren Verwertung ihrer Verantwortung bewusst sein und nachhaltige Kriterien berücksichtigen.
Produktentwicklungen vom Ende her zu denken, vermag einen Richtungswechsel, der noch neu erscheint. Welche Potentiale ergeben sich dabei für den Designprozess?
Produkte in steten Kreisläufen zu führen und Abfälle erst gar nicht entstehen zu lassen, sind zwei wesentliche Aspekte einer idealen Kreislaufwirtschaft. Design kann als das Herz einer Kreislaufwirtschaft betrachtet werden. Denn das Ziel von Kreisläufen ist es, den Wert von Produkten, ihrer Komponenten und Materialien zu erhalten.

Die großen Herausforderungen unserer Zeit erfordern den Blick über die Grenzen einzelner isolierter Themen hinweg zu richten und das große Ganze zu betrachten.

Wir stehen heute vor der Herausforderung unser Lebensumfeld zu schützen und zu erhalten und stellen fest, dass wir für die vielfältigen Aufgaben bisher keine nennenswerten Lösungen parat haben. Wir wissen, dass die Zeit drängt und es fällt uns schwer Wege außerhalb unserer gewohnten Strukturen und Gewohnheiten zu finden.

Bisher ist es uns nicht gelungen die Klimaerwärmung, das Müllaufkommen oder die Rohstoffverschwendung drastisch zu reduzieren. Gleichzeitig haben unsere zarten Bemühungen zum Erhalt von sauberem Wasser und Luft sowie Artenreichtum noch keine erfolgreichen Resultate erzielt.

Wir erleben einen Wandel soziokultureller Werte, sowie rasante Fortschritte im technologischen Bereich. Durch die digitale Transformation sind wir mitten im Umbruch wie wir Dinge entwickeln, designen, herstellen und nutzen. Dies hat tiefgreifende Effekte auf das Konsumverhalten und unseren Lebensstil und den damit verbundenen Anforderungen an die Industrie und das Design.

Das alte System der billigen Massenproduktion identischer Produkte wird mehr und mehr abgelöst von individualisierter, digitaler Produktion – Online Marktplätzen, Open Source Design und Social Networking.

Bisher gab es eine klare Aufteilung: Kleine Manufakturen produzierten individuelle Produkte, die Industrie stellte in Masse her. Durch digitale Fertigung sind Manufakturen aber schon jetzt in der Lage Produkte herstellen, die bisher nur durch große Fabriken produziert wurden. Es wird also zu Veränderungen unserer gewohnten Unternehmenslandschaft kommen.

Was wir wollen

„Die Zukunft hängt davon ab was wir heute tun.“ sagte einst Mahatma Gandhi und folgerichtig sollten wir uns die Frage nach unserer Zukunft stellen.

Die Workshop-Teilnehmer nach ihren Vorstellungen und Wünschen gefragt, wie sie sich ihre Zukunft vorstellen und was ihnen dabei wichtig erscheint, zeigte ähnliche Resultate wie der Werteindex 2018. Auch hier standen Natur und Gesundheit an oberster Stelle.

Was wir tun

Wir lieben die unberührte Natur. Natur- und Umweltschutz sind allgemein geschätzte Ziele. Doch gleichzeitig verschwenden wir die Ressourcen der Natur und zerstören den Planeten. Bei der Gestaltung unserer unmittelbaren Umgebung setzen wir Gifte ein. Jede dritte Person der westlichen Welt hat Allergieprobleme. Über 40 % aller Kinder haben Allergien. Früher waren es nur 2-3 %.

Warum tun wir das?

Bei der Betrachtung des Status Quo unseres Wirtschaftens stellen wir fest, dass es seit der Industrialisierung keine Veränderung in unserem Denkmuster gibt: Wir nehmen, wir verbrauchen, wir schmeißen weg. Mit dieser Logik werden Produkte entwickelt und designt.

Das weltweite Wirtschaftssystem wurde seit der industriellen Revolution linear aufgebaut: Die Lebensstile sind dadurch auf den Konsum und kurze Nutzung von Gütern ausgerichtet, woraus sich die Abfolge der Entnahme, Herstellung, Entsorgung in den Lieferketten ergibt. Das dahinterstehende Fertigungsmodell ist somit in eine Richtung ausgelegt: Natürliche Ressourcen dienen für die Herstellung von Massenware, die gekauft und oftmals nach einmaligem Gebrauch entsorgt wird. Dadurch hat sich unser Verbrauch an Ressourcen und Energie in den letzten 30 Jahren verdoppelt.

Schneller | Höher | Weiter

Um dieses lineare Wirtschaftsmodell der Massenproduktion und des Massenkonsums am Laufen zu halten, ist Wachstum notwendig. Dies bedingt wiederum Beschleunigung.

Folgerichtig machen wir mehr in weniger Zeit und gleichzeitig haben wir weniger Zeit pro Aktion. Es wird schneller und mehr produziert. Wir haben weniger Zeit im Entwurf, in der Herstellung, Entscheidungsfindung, Auswahl und Benutzung. So entstehen mehr Güter mit geringerer Halbwertszeit. Kontakte und Vernetzung werden gesteigert so wie Handlungsoptionen multipliziert.

Durch Massenproduktion und Konsum steigen der Ressourcen-und Energieverbrauch rasant. Daher ist es unabdingbar die Lösung im System zu suchen. Nur wenn es uns gelingt einen nachhaltigen Markt zu schaffen, der auch ökonomischen Aspekten gerecht wird, wird es möglich sein den Wandel zu vollziehen. Dabei wird der dringend nötige Umbau unseres Wirtschaftssystems nicht ohne Verhaltensänderungen möglich sein.

Besser | Anders | Weniger

In der Nachhaltigkeitsdebatte finden sich drei grundsätzliche Ansätze, die gesamt betrachtet als Lösung gelten:

Effizienz zielt auf eine ergiebigere Nutzung von Rohstoffen und Ressourcen ab, die häufig durch technische Innovationen erzielt wird. Effizienzsteigerungen senken oft die Kosten für Produkte oder Dienstleistungen. Dies kann dazu führen, dass sich das Verhalten der Nutzerinnen und Nutzer ändert: Sie verbrauchen mehr – die ursprünglichen Einsparungen werden teilweise wieder aufgehoben. Der sogenannte Rebound-Effekt setzt ein. So verbrauchen wir trotz energieeffizienterer Produkte mehr Energie. Beispiele zeigen, dass Effizienz nicht zwingend zur Reduktion führt.
Konsistenz sucht nach alternativen Technologien und Stoffen, die besser für Natur und Umwelt sind als bisherige und versucht, Kreisläufe von der Herstellung über Nutzung und Recycling bis hin zur Wiedernutzung zu schließen. Innovationen und ein erweiterter Blick innerhalb der Produktentwicklung sind Voraussetzungen für konsistente Produkte. Unternehmen konzentrieren sich nicht mehr in erster Linie auf Gewinnmaximierung oder Kostensenkung durch mehr Effizienz in den Lieferketten. Vielmehr liegt der Fokus auf der Neugestaltung und Umstrukturierung von Produkt-Service-Systemen, die Zukunftsfähigkeit und Wettbewerbsfähigkeit gewährleisten.
Suffizienz versucht nicht, bestehende Bedürfnisse mit weniger oder anderen Ressourcen zu befriedigen, sondern sie hinterfragt die Bedürfnisse selbst. Wie viel genug ist, erfordert aber eine gesellschaftliche Wertedebatte, die in weiten Teilen noch nicht stattfindet.

Abhängigkeit von Rohstoffen

Deutschland ist ein rohstoffarmes Land und von Rohstoffen anderer Länder abhängig. Die Förderung und der Transport von Rohstoffen weltweit werden durch Verknappung immer aufwändiger und zwangsläufig teurer.

Dies lässt sich anhand von Architektur und Bauwirtschaft gut darlegen. Mit etwa 60 % Ressourcenverbrauch, 50 % Abfallproduktion, 35 % Energieverbrauch und 35 % Emissionen weltweit gilt die Gestaltung von Gebäuden als Hauptansatzpunkt nachhaltiger Entwicklungen. Im rohstoffarmen Deutschland sind wir umgeben von über 50 Milliarden Tonnen an wertvollen Materialien, die in Gebäuden verbaut sind. Mit einem jährlichen Wachstum von 10 Tonnen pro Einwohner spiegelt sich hier der Umgang mit Ressourcen wider. Die Debatte über Renovierung und Umnutzung anstelle von Abriss ist überfällig.

Konsequenterweise wäre es naheliegend beim Bau von Gebäuden bereits in der Planungsphase den Materialeinsatz zu minimieren und zu berücksichtigen, wie sich die verbauten Materialien einmal wiederverwerten lassen.

Um aber Materialien wieder in den Kreislauf zu führen, bedarf es eines sortenreinen Einsatzes. Das zeigt das Beispiel Plastik – in Deutschland werden tatsächlich nur 6 % wiederverwertet. Ein Drittel der Verpackungen, die im Gelben Sack landen, sind nicht recyclingfähig, weil sie stark verschmutzt oder aus Verbundmaterialien bestehen. Anstatt bessere Sortieranlagen zu entwickeln, war es bislang günstiger, den Plastikmüll einfach zu verbrennen oder ihn zu exportieren.

Daher stellt sich die Frage, ob Produkte als qualitativ bezeichnet werden können, die nach ihrer Verwendung nutzlos, beziehungsweise zu Abfall werden, da sich ihre Materialien nicht kontinuierlich wiederverwenden lassen? Und können Produkte als qualitativ bezeichnet werden, bei deren Herstellung oder Verwendung beteiligte Menschen geschädigt werden, beziehungsweise das betroffene Ökosystem irreversibel geschädigt wird?

Müll ist ein Designfehler! Die meisten synthetischen Kunststoffe bestehen aus Erdöl als Ausgangsstoff. Um dem Material die gewünschten Eigenschaften zu geben, werden diverse Zusatzstoffe wie Weichmacher, Stabilisatoren, Flammschutzmittel oder Füllstoffe beigemischt. Diese Stoffe sind im Plastik meist nicht fest gebunden und können mit der Zeit an die Umwelt abgegeben werden. Sie gelangen dann in Lebensmittel, den Hausstaub, die Atemluft und damit auch in den menschlichen Körper.

Design vom Ende her denken

Die meisten bestehenden Nachhaltigkeitssysteme verstehen sich nicht als Entwurfs- und Planungswerkzeuge, sondern als Bewertungsinstrumente für fertige Gebäude und Produkte und damit für abgeschlossene Planungen. Entwurfsmethoden und Prozesse sind aber die Grundlage intelligenter Lösungen in der Architektur und im Design.

Das Ziel muss sein, dass bereits beim Entwurf mit eingeplant wird, wo Bestandteile nach dem Lebenszyklus landen werden. Das Konzept „Abfall“ wird damit aufgegeben.

Bisher gilt Nachhaltigkeit als „Add-on“ und als „Premium“, denn nachhaltige Produkte gelten als teurer, auch wenn sie das objektiv betrachtet selten sind. Der Preis wird nur singulär betrachtet und selten über die gesamte Wertschöpfungskette, die Laufzeit oder Folgekosten definiert.

Wir wissen, dass die uns zur Verfügung stehenden Ressourcen endlich sind. Unsere Produktionsverfahren können nur mit einem wirklichen stofflichen Kreisschluss unbeschränkt fortgeführt werden. Kreislaufwirtschaft nimmt daher den Stoffkreislauf der Natur zum Vorbild und versucht, Nutzungen ohne Abfälle und ohne Emissionen zu erreichen.

Aus dieser Überlegung heraus erscheint die Kreislaufwirtschaft als logische Konsequenz. Kreislaufwirtschaft birgt sowohl für Kunden wie auch für die Wirtschaft Vorteile. Ein neues Wirtschaften also, mit dem genug Geld verdient werden kann, damit es als Alternative funktionieren kann. Die Methode der Kreislaufwirtschaft bildet die Grundlage für neue Qualitäten in allen Bereichen. Es entstehen neue Geschäftsmodelle. Durch die Abschreibungsmöglichkeiten ist gerade für Investoren im Immobiliensektor die Investition in Stoffkreisläufe sinnvoll.

Die größte Herausforderung besteht in der Rückführung der Produkte. Wird diese Aufgabe ausschließlich auf den Kunden abgewälzt, wird sich nach Nutzungsdauer zeigen, ob die Motivation des Kunden groß genug ist, den Hersteller des Produkts herauszufinden und aufzusuchen.

Als logische Konsequenz tritt der Hersteller als Dienstleister auf, schließt einen Leasingvertrag und bietet während der Nutzung Serviceleistungen an – so hält er dauerhaft Kundenkontakt. Nach Ablauf der Laufzeit nimmt er die Ware zurück und führt diese wieder dem Kreislauf zu. Dadurch verringert sich nicht nur sein Bedarf an Rohstoffen, sondern diese können alternativ kalkuliert werden. Am Beispiel Drucker zeigt sich, dass es funktionieren kann. Kaum ein Büro kauft sich noch einen Drucker, sondern least ihn mit All-In-Service.

Ist Nutzen das neue Kaufen?

Ist es notwendig eine Waschmaschine sein eigen zu nennen, wenn doch am Ende nur das Resultat sauberer Wäsche zählt? Was wäre, wenn die Waschmaschine, wie beispielsweise der Drucker im Büro, nur geleast wäre, die Wartung inklusive und der Austausch eines neuen Geräts nach einer gewissen Laufzeit als Service inbegriffen wären?

Der Hersteller als Dienstleister?

Diese Frage wurde mit den Workshop-Teilnehmern lebendig diskutiert. Die Skepsis war groß, ob die Lösung einer Kreislaufwirtschaft praktisch umsetzbar sei. Gerade die Frage der Rückgabe der Produkte und die daraus resultierende, bisher fehlende Infrastruktur wurden kritisch betrachtet. Die Notwendigkeit eines Umbaus der Wirtschaft im globalen Kontext wurde als zentrale Herausforderung betrachtet.

Die Frage inwieweit die Aktivitäten eines jeden Einzelnen zu Veränderungen beitragen können, wurde ebenfalls diskutiert. Diese Aufgabe scheint zu komplex und unübersichtlich, denn es ist jedem Einzelnen nicht möglich fundierte Kenntnisse in allen Bereich zu haben, die es braucht das eigene Handeln unter den Gesichtspunkten der Nachhaltigkeit zu bewerten. Selbst bei der Wahl der Einkaufstüte gilt es viel zu beachten – die Ökobilanzen fallen oft überraschend anders aus, als gedacht.

Daher waren sich die Teilnehmer einig, dass es ohne politisches Eingreifen und Steuerung nicht möglich sein wird sichtbare Veränderungen zu erzielen.

Zum Ausklang wurde das Exempel statuiert was passieren würde, wenn es uns als Spezies morgen nicht mehr geben würde. Die Annahme, dass wir Menschen „die Umwelt schonen“ sollten oder etwas „der Umwelt zuliebe machen sollten“ ist schlichtweg falsch. Es zeigt, dass wir einem Denkfehler unterliegen, denn wir müssen uns und unser Lebensumfeld schützen. Der Umwelt kann es egal sein, denn sie hat endlos Zeit sich von uns und unserem Handeln zu erholen. Diese Zeit haben wir nicht!