md Magazin
über unsere Veranstaltung „Back to Basic“, von Tina Kammer
März 2017, Seite 42 – 44
PROBLEMFELD RAUMKLIMA
Dicke Luft? Fehlanzeige!
Das Thema Raumluft spielt in Architektur und Innenarchitektur eine große Rolle. Grund genug für das Team von InteriorPark. Experten aus Architektur und Medizin zu einem Austausch einzuladen. Eine Bestandsaufnahme.
Mit dem Ziel Energie zu sparen, werden Gebäudehüllen zunehmend dichter und der Luftaustausch sinkt kontinuierlich. Durch den reduzierten Luftaustausch reichert sich die Luft verstärkt mit chemischen Emissionen aus Baustoffen an sowie intern anfallenden partikulären Luftschadstoffen, z.B. durch Kochen, Heizen, Reinigungsarbeiten und nicht zuletzt durch uns Menschen. Die Verwendung von Bauprodukten und Materialien die Schadstoffe abgeben, sowie zu feuchte und zu trockene Räume machen die Bewohner krank. Mechanische Lüftungsanlagen sollen für Frischluft sorgen und Abhilfe schaffen. Doch halten sie, was sie versprechen?
Leider nicht immer, sagt der Mediziner Dr. med. Walter Hugentobler und warnt vor Gesundheitsschäden durch zu trockene und zu feuchte Innenraumluft. Für ihn sind Gebäude zu „einem wichtigen, krankmachenden Faktor geworden“.
Architektonische Lösungen
Was die Räume erfüllt, ist nicht „Nichts“, ist auch nicht „nur einfach Luft“, es ist mengenmäßig unser wichtigstes Nahrungsmittel. Rund 18 kg davon atmen wir täglich ein. Für die Qualität dieses „Nahrungsmittels“ sind Architektur, Gebäudetechnik und Medizin gemeinsam verantwortlich.
„Gebäude sind zu einem krank machenden Faktor geworden“
Dr. med. Walter Hugentobler
Die relative Luftfeuchtigkeit, bei der sich der Mensch wohlfühlt und bei der wir gesund bleiben, beträgt 40 bis 60 Prozent. Für Viren und Bakterien ist diese mittlere Feuchte jedoch tödlich. In zahlreichen Fällen wird diese Feuchte im Winter weder erreicht noch gehalten – schon gar nicht, wenn mechanische Lüftungsanlagen im Spiel sind. Nicht selten ist die althergebrachte Stoßlüftung durch kurzweilig weit geöffnete Fenster die bessere Lösung.
Die Raumtrockenheit in modernen, energieeffizienten, luftdichten, mechanisch belüfteten Gebäuden in Leichtbauweise hat ein vorher nie dagewesenes Ausmaß erreicht. In trockener Raumluft ist der Mensch sein eigener Luftbefeuchter, dem Körper wird durch die trockene Luft erheblich Feuchtigkeit entzogen. „Unser Raumklima entspricht im Winter einem kontinentalen Wüstenklima“, sagt
Dr. Hugentobler.
Eine Alternative bilden gesunde, hygroskopische Naturbaustoffe. Ihre Verwendung bei der Errichtung und Sanierung von Gebäuden ermöglichen die Reduktion bzw. den Verzicht auf Lüftungstechnik bei Einhaltung höchster energetischer Standards.
Das EU-Forschungsprojekt ‚H-House – Healthier life with eco-innovative components for housing constructions‘ hat zur Aufgabe: Die Entwicklung von innovativen, nachhaltigen Innenwandsystemen, basierend auf Lehm-, Holz- oder Cellulose-Materialien, die ein gesundes Raumklima schaffen sowie den Nutzerkomfort erhöhen. Die Bauelemente werden sowohl für Bestandsgebäude als auch für Neubauten entwickelt, die einen reduzierten Energie- und Ressourceneinsatz in Wohngebäuden anstreben.
Im Fokus
Die Raumtrockenheit in modernen, Gebäuden hat ein nie da gewesenes Ausmaß erreicht,
meint Dr. Walter Hugentobler. Sein Lösungsansatz: Back to Basics. Lehm ist ein Baustoff, dessen Vielfalt überzeugt.
BACK TO BASICS
Als Partner des internationalen Forschungskonsortiums ist das Büro Ziegert | Roswag | Seiler Architekten Ingenieure aus Berlin in Zusammenarbeit mit der BAM – Bundesanstalt für Materialforschung und -prüfung maßgeblich am Gelingen des Projektes beteiligt. Eike Roswag-Klinge und Andrea Klinge, die ebenfalls referierten, haben hierfür mit Holz, Lehm und Naturfasern als Baustoffe experimentiert und deren Verhalten in Bezug auf Feuchteabsorption und Schadstoffe untersucht. Lehm als der älteste Baustoff der Menschheit schneidet hervorragend ab: Die Verbindung aus Ton, Sand und Schluff hat feuchtigkeits- regulierende Eigenschaften, nimmt da Feuchtigkeit auf, wo zu viel davon vorhanden ist und gibt sie dort ab, wo sie fehlt. Lehmwände können Wärme speichern und abgeben und sind nicht zuletzt dank ihrer Tiefe und Echtheit von ganz besonderer Ästhetik. Ein Baustoff, der in seiner Ursprünglichkeit und Vielfalt überzeugt.
„Hygroskopische Naturbaustoffe ermöglichen den Verzicht auf Lüftungstechnik“
Eike Roswag-Klinge
Im Anschluss an die Vorträge wurden die unterschiedlichen Wandaufbauten, die im H-House-Forschungsvorhaben untersucht wurden, anhand von Modellen präsentiert und im Detail erläutert. Die Ergebnisse der Untersuchungen zeigen, dass die Aufbauten aus Naturbaustoffen Feuchtigkeit aber auch Schadstoffe deutlich besser aufnehmen als konventionelle Wandaufbauten.
Fazit: „Früher war alles besser“ ist für die moderne Bauweise also nicht von der Hand zu weisen.