UMBAU EINER STUTTGARTER SCHLOSSEREI ZU ZWEI WOHNUNGEN DURCH INTERIORPARK

142 • AIT 7/8.2018, Seite 142 – 145

WOHNEN • LIVING INNERE WERTE • INNER VALUES

Was Tina Kammer und Andrea Herold von InteriorPark. vorfanden, war nicht viel mehr als ein Schutthaufen, allerdings ein Schutthaufen mit Bestandsschutz!

Das machte die Arbeiten einerseits zu einem komplizierten und langwierigen Unterfangen, andererseits wäre ein reiner Neubau an dieser bereits hoch verdichteten Stelle im Stuttgarter Süden baurechtlich unmöglich gewesen. So entstand im Ergebnis ein individuelles und konsequent nachhaltig geplantes Wohnensemble, in dem sich Alt und Neu geschickt verzahnen.

• von  Andrea Herold & Tina Kammer

Die alte Schlosserei entstand zu Beginn des 20. Jahrhunderts in einem Innenhof im dicht besiedelten Stuttgarter Süden. Als die Werkstatt ihren Betrieb vor Jahren einstellte, zerfiel das Gebäude allmählich, bis sich unser Bauherr dem Kleinod annahm und uns beauftragte, die unter Bestandsschutz stehende Ruine aus ihrem Dornröschenschlaf zu wecken und mittels eines neuen Zwischenbaus mit dem Erdgeschoss des daneben stehenden Mehrfamilienhauses zu verbinden. Das Ziel war es, eine individuelle Wohlfühloase im urbanen Kontext zu erschaffen. Die anspruchsvolle Wiederherstellung des historischen Bestands und dessen Transformation zu einer modernen Wohneinheit samt separat erschlossener Einliegerwohnung erfolgte unter Einsatz lokaler und natürlicher Materialien, die für ein gesundes Raumklima sorgen. Der individuelle Charakter der einzelnen Bereiche wurde neu interpretiert und der historische Charme in die Neuzeit transferiert.

Erhalt und Neuinterpretation der Bausubstanz gingen Hand in Hand

Das architektonische Konzept der Wiederherstellung berücksichtigte zwei Aspekte: den weitestgehenden Erhalt der noch vorhanden historischen Bausubstanz sowie die gleichzeitige Neuinterpretation des ursprünglichen Werkstattcharakters. Die Verschmelzung von Alt und Neu sollte dabei der Geschichte des Gebäudes Respekt zollen, den Bau aber zugleich in der Gegenwart verankern. Das Werkstattgebäude war zu Projektbeginn in einem desolaten Zustand: Das Dach war schon vor Jahren eingestürzt; die drei noch verbleibenden Wände notdürftig gegen den endgültigen Zusammenbruch gestützt. Aufgrund baurechtlicher Vorgaben durften die Backsteinwände weder neu errichtet noch eine davon unabhängige, innen liegende Gebäudekonstruktion implementiert werden. Jeder Einsturz der Wände während der Bauphase hätte ein sofortiges Erlöschen der Baugenehmigung bedeutet. Die Wiederherstellungsarbeiten an den alten Gemäuern erforderten deshalb einen äußert sensiblen Umgang. Das neue Dach erhielt – in Anlehnung an die ursprüngliche Gestalt – zwei Oberlichter von jeweils zwei mal vier Metern Größe. Ihre Rahmen bestehen aus massiver Eiche. Auch die weitere Gestaltung des Innenraums wurde mit hochwertigen Materialien realisiert. Durch den Einsatz von natürlicher Dämmung und Lehmputz besitzt der große Einraum heute ein angenehmes Raumklima. An das ehemalige Werkstatt gebäude wurde zudem ein neuer Anbau angeschlossen, der als Zugangsund Verteilerraum dient. Er verbindet den alten Werkstatttrakt mit dem Erdgeschoss des daneben liegenden Wohnhauses. Die Räume dienten früher dem Schlossereibetrieb als Lager- und Büroflächen. Der hier vorgefundene Grundriss musste aus statischen Gründen beibehalten werden. Als Kontrast zur schlichten Anmutung des ehemaligen Werkstattgebäudes entschieden wir uns, die Wände im Wohnhaus vom Putz zu befreien und den rohen Charakter der Backsteinwände freizulegen. Deren Fehler und Imperfektionen wurden nicht durch aufwendige „Schönheitsoperationen“ korrigiert, was den Räumen eine eigenständige Identität verleiht. Natürlicher Linoleumboden und weiß gekalkte Lehmputzdecken bilden dazu einen ruhigen und schnörkellosen Hintergrund. Alle Räume strahlen eine einfache und schlichte Wohnatmosphäre aus.

Nachhaltigkeitsaspekte spielten in der Planung eine zentrale Rolle

Da unser Fokus auf Nachhaltigkeit im Bauen liegt, wurden alle verwendeten Materialien unter diesem Kriterium ausgewählt. So kamen Lehmputz, Sumpfkalkputz sowie Kalkfarben, Holzfaserdämmung und Linoleum zum Einsatz – mithin natürliche Materialien, die zugleich für ein gesundes Innenraumklima sorgen. Für die Arbeitsplatten und das Podest in der Küche verwendeten wir zudem Douglasie aus nachhaltiger, lokaler Forstwirtschaft. Die Fensterrahmen und Oberlichter aus massiver, geölter Eiche wurden individuell gefertigt. Die Türelemente fanden sich im Bestand und wurden aufwendig restauriert und an neuen Bestimmungsorten wieder eingesetzt. Alle weiteren Innenausbauprodukte – Armaturen, Beschläge Schalter und Steckdosen – stammen von deutschen Traditions unternehmen, die sowohl bei den Produktionsabläufen als auch bei den zu verarbeitenden Materialien großen Wert auf Aspekte der Nachhaltigkeit legen.

Entwurf: InteriorPark., Hasenbergstrasse 14a, 70178 Stuttgart

Bauherr: Privat

Standort: Stuttgart

Fertigstellung: November 2017

Wohnfläche: 200 qm

Verwendete Produkte: Lehmputz, Claytec; Linoleum, Forbo Flooring; Tür- und Fensterbeschläge FSB, Sanitärkeramik Simas; Amaturen Dornbracht; Lichtschalter Thomas Hoof; Steckdosen und Rauchmelder Jung

Fotos: Andreas Körner / bildhübsche fotografie, Lorenzstaffel 8, 70182 Stuttgart